Wusstest Du, dass das EU-Parlament die Regeln für Gentechnik lockern will? Das wäre fatal!

> Ohne-Gentechnik

Ohne Gentechnik - noch können wir geplante Gesetzgebung beinflussen

EU-Parlament will Regeln für Gentechnik lockern

Das EU-Parlament hat sich Anfang Februar 2024  mit einer leichten Mehrheit dafür ausgesprochen, den Anbau und die Vermarktung zahlreicher sogenannter „NGT-Pflanzen“ (new genomic techniques) zukünftig zu vereinfachen.
Zu den NGT-Verfahren gehört unter anderem die CRISPR-Technologie, die als "Genschere" bekannt ist und direkt in die DNA der Pflanze eingreift. NGT-Produkte sind außerhalb der EU bereits auf dem Markt oder befinden sich in der Zulassung, wie beispielsweise gentechnisch veränderte Bananen, die nicht braun werden.

Noch unterliegt die Gentechnik in Europa strengen Auflagen

Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) handelt es sich bei den neueren NGT-Verfahren um "Züchtungstechniken auf molekularer Ebene, mit denen das genetische Material eines Organismus verändert werden kann."  2001 wurde von der EU die sogenannte Freisetzungsrichtlinie verabschiedet, die regelt, dass das absichtliche Freisetzen oder Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen (GVOs) keine schädlichen Auswirkungen auf Menschen oder Umwelt haben dürfen. Derzeit unterliegen auch alle Pflanzen, die mithilfe neuerer NGT-Verfahren wie der Genschere erzeugt oder verändert wurden, dieser Freisetzungsrichtlinie, die etwa verpflichtende Umweltrisikoanalysen vorsieht.

Zukünftig sollen „Gen-Pflanzen“ fast gleichbehandelt werden

Mit dem aktuellen Votum will das EU-Parlament dies nun zumindest teilweise ändern: Zahlreiche „Gen-Pflanzen“ und daraus hergestellte Lebensmittel, die nach 2001 mit NGT-Verfahren erzeugt wurden, sollen zukünftig keiner gesonderten Risikoprüfung mehr unterzogen werden.  Sollte das Gesetz unverändert in Kraft treten, würden damit viele NGT-Pflanzen konventionellen Pflanzen so gut wie gleichgestellt.
So soll es zukünftig zwei verschiedene Kategorien und zwei separate Regelwerke für gentechnisch veränderte NGT-Pflanzen geben. Die Eingruppierung in NGT 1 oder NGT 2 orientiert sich daran, wie viele Basenpaare innerhalb der DNA der Pflanze jeweils geändert wurden.

NGT-Pflanzen der Klasse NGT 1 (max. 20 DNA-Änderungen)
sollen konventionellen Pflanzen gleichgestellt und damit von den Auflagen der GVO-Gesetzgebung befreit werden.

„Gen-Pflanzen“ der Klasse NGT 2 (über 20 DNA-Änderungen)
müssten auch weiterhin strengere Anforderungen erfüllen. Für NGT-2-Pflanzen soll die existierende GVO-Gesetzgebung weitgehend beibehalten werden, einschließlich des bestehenden Zulassungsverfahrens und einer obligatorischen Kennzeichnung der Produkte.

Alle Produkte aus GVOs, auch NTG 1, sollen im Supermarkt gekennzeichnet werden müssen.

In der Bio-Landwirtschaft sollen NGT-Pflanzen, egal welcher Klasse, weiterhin verboten bleiben – aber:
Zwar sollen grundlegende Verantwortlichkeiten für die Biotech-Industrie eingerichtet werden, wie z.B. die Bereitstellung einer Testmethode für jeden neuen GVO. Die Kosten für die Testmethoden will die Europäische Kommission jedoch denjenigen überlassen, die neue GVOs vermeiden wollen. Dies führt zu einer Benachteiligung der konventionellen und ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft ohne Gentechnik!

Du hast jetzt die Wahl – später wird es schwierig!

Die finale Entscheidung steht noch aus. Bevor die neuen, entkräfteten Gentechnik-Regeln beschlossen werden können, müssen sie noch mit den EU-Staaten ausgehandelt werden. Es ist eher unrealistisch, dass es vor der Europawahl im Juni 2024 noch zu einer Einigung kommen wird.

So wird viel von der Europawahl abhängen, und auch mit Deiner Stimme kannst Du Einfluss auf die zukünftige Gesetzgebung in Sachen „Gentechnik“ nehmen.

Die Befürworter erhoffen sich von einer Lockerung der Regeln für die Gentechnik, die europäische Lebensmittelversorgung „widerstandsfähiger“ zu machen, da die genetisch veränderten Pflanzen klimaresistenter sein, höhere Erträge liefern oder weniger Düngemittel und Pestizide benötigen sollen.

Für die Gegner überwiegen die unkalkulierbaren Risiken für Gesundheit, Natur und Umwelt, die fehlende Transparenz und Wahlfreiheit für Verbraucher:innen sowie die Benachteiligung der konventionellen und ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Darüber hinaus bestehen vielfältige Zweifel, z. B. hinsichtlich faktischer Nachweise zur „Klimaresistenz“ oder einem geringeren Pestizideinsatz.

Auch bliebe anzuzweifeln, ob es sich bei „Gen-Pflanzen“ nicht nur um die nächste Generation an hochgezüchteten Leistungs-Hybridsaaten handelt. Denn es stellt sich z. B. im Angesicht des Klimawandels die Frage, worauf hin die „Gen-Pflanzen“ maßgeschneidert werden sollen: Trockenheit und Dürre oder Nässe und überbordende Regenmengen?

Alternative Ansätze zeigen, dass erfolgreiche Antworten auf die klimatischen Extreme auch konventionell und biologisch gefunden werden können. Ein Beispiel: sogenannter Populationsweizen. Populationsweizen, eine Mischung aus verschiedenen, robusten, vermehrungsfähigen Demeter-Sorten, ist ein Gegenentwurf zur agrarindustriellen Spezialisierung auf das eine Beste, das oft nur theoretisch das Beste ist. Aus ganz unterschiedlichem Saatgut wächst ein vielfältiges Getreide, dessen Stärke die Unterschiedlichkeit ist. Jeder Einfluss macht einen Teil der Saatgutmischung im Wachstum stark. Je nachdem, was das Wetter zu bieten hat, entwickelt sich ein Teil der Mischung – eben eine spezifische Sorte. In der Gesamtheit zeigt sich die gezielte Mischung überlegen: Der Populationsweizen erzielte beim vergleichenden hessischen Bio-Versuchsanbau 2022 die besten Ergebnisse. Nur ein Beispiel von vielen erfolgreichen Lösungen, die gänzlich ohne Gentechnik auskommen.

Deshalb: Bitte informiere Dich vor dem Urnengang im Juni, wie die einzelnen Parteien zur Gentechnik stehen! Noch hast Du es in der Hand.