EU-Parlament will Regeln für Gentechnik lockern
Das EU-Parlament hatte sich bereits Anfang Februar 2024 mit einer leichten Mehrheit dafür ausgesprochen, den Anbau und die Vermarktung zahlreicher sogenannter „NGT-Pflanzen“ (new genomic techniques) zukünftig zu vereinfachen. Zu den NGT-Verfahren gehört unter anderem die CRISPR-Technologie, die als "Genschere" bekannt ist und direkt in die DNA der Pflanze eingreift. NGT-Produkte sind außerhalb der EU bereits auf dem Markt oder befinden sich in der Zulassung, wie beispielsweise gentechnisch veränderte Bananen, die nicht braun werden.
Schon länger liegt der Vorschlag der EU-Kommission für die Reform der Gentechnik-Gesetze auf dem Tisch.
Mitte März 2025 hat nun die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten dem Vorschlag zur weitgehenden Deregulierung von Gentechnik zugestimmt. Das ist der Startschuss für die finalen Verhandlungen zum künftigen Rechtsrahmen Neuer Gentechnik auf EU-Ebene. Mit gelockerten Regeln dürfte Gentechnik künftig deutlich häufiger zum Einsatz kommen.
Risiken und Folgen
Neue Gentechnik bezeichnet eine Vielzahl von Verfahren, die gezielt in das Erbgut von Pflanzen und Tieren eingreifen. Die Risiken dieser Verfahren sind kaum abschätzbar:
- Produkte werden ohne langfristig ausreichende Risikoüberprüfung
auf den Markt kommen.
- Gesundheitliche Folgen sind völlig unerforscht.
- Eine Kennzeichnungspflicht soll entfallen.
- Auch die Abgrenzungspflicht soll entfallen. Bisher musste derjenige, der
gentechnisch veränderte organismen einsetzt, sicherstellen, dass keine
Verbreitung, z.B. durch Samenflug stattfindet. In Zukunft muss voraussichtlich
derjenige, der ohne Gentechnik arbeitet, nachweisen, dass er es tatsächlich tut.
- Eine Zulassung der neuen Gentechnik im Bioanbau ist möglich.
Bisher ist Gentechnik im Ökolandbau nicht zulässig. Aktuell sprechen sich
bereits 11 von 16 Bundesländern für die Freigabe aus – ein Dammbruch.
Aktion
Sind Sie auch gegen eine Deregulierung der Gentechnik und die Zulassung Neuer-Gentechnik-Verfahren? Dann werden Sie mit uns aktiv!
Unter www.demeter.de/gentechnik gibt es mehr Informationen über die Aktion.
Bisher unterliegt die Gentechnik in Europa strengen Auflagen
Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) handelt es sich bei den neueren NGT-Verfahren um "Züchtungstechniken auf molekularer Ebene, mit denen das genetische Material eines Organismus verändert werden kann." 2001 wurde von der EU die sogenannte Freisetzungsrichtlinie verabschiedet, die regelt, dass das absichtliche Freisetzen oder Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen (GVOs) keine schädlichen Auswirkungen auf Menschen oder Umwelt haben dürfen. Derzeit unterliegen auch alle Pflanzen, die mithilfe neuerer NGT-Verfahren wie der Genschere erzeugt oder verändert wurden, dieser Freisetzungsrichtlinie, die etwa verpflichtende Umweltrisikoanalysen vorsieht.
Zukünftig sollen „Gen-Pflanzen“ fast gleichbehandelt werden
Mit dem aktuellen Vorschlag will das EU-Parlament dies nun zumindest teilweise ändern: Zahlreiche „Gen-Pflanzen“ und daraus hergestellte Lebensmittel, die nach 2001 mit NGT-Verfahren erzeugt wurden, sollen zukünftig keiner gesonderten Risikoprüfung mehr unterzogen werden. Sollte das Gesetz unverändert in Kraft treten, würden damit viele NGT-Pflanzen konventionellen Pflanzen so gut wie gleichgestellt.
So soll es zukünftig zwei verschiedene Kategorien und zwei separate Regelwerke für gentechnisch veränderte NGT-Pflanzen geben. Die Eingruppierung in NGT 1 oder NGT 2 orientiert sich daran, wie viele Basenpaare innerhalb der DNA der Pflanze jeweils geändert wurden.
NGT-Pflanzen der Klasse NGT 1 (max. 20 DNA-Änderungen)
sollen konventionellen Pflanzen gleichgestellt und damit von den Auflagen der GVO-Gesetzgebung befreit werden.
„Gen-Pflanzen“ der Klasse NGT 2 (über 20 DNA-Änderungen)
müssten auch weiterhin strengere Anforderungen erfüllen. Für NGT-2-Pflanzen soll die existierende GVO-Gesetzgebung weitgehend beibehalten werden, einschließlich des bestehenden Zulassungsverfahrens und einer obligatorischen Kennzeichnung der Produkte.
Alle Produkte aus GVOs, auch NTG 1, sollen im Supermarkt gekennzeichnet werden müssen.
In der Bio-Landwirtschaft sollen NGT-Pflanzen, egal welcher Klasse, weiterhin verboten bleiben – aber:
Zwar sollen grundlegende Verantwortlichkeiten für die Biotech-Industrie eingerichtet werden, wie z.B. die Bereitstellung einer Testmethode für jeden neuen GVO. Die Kosten für die Testmethoden will die Europäische Kommission jedoch denjenigen überlassen, die neue GVOs vermeiden wollen. Dies führt zu einer Benachteiligung der konventionellen und ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft ohne Gentechnik!
Du hast die Wahl – noch können wir etwas tun!
Die Befürworter erhoffen sich von einer Lockerung der Regeln für die Gentechnik, die europäische Lebensmittelversorgung „widerstandsfähiger“ zu machen, da die genetisch veränderten Pflanzen klimaresistenter sein, höhere Erträge liefern oder weniger Düngemittel und Pestizide benötigen sollen.
Für die Gegner überwiegen die unkalkulierbaren Risiken für Gesundheit, Natur und Umwelt, die fehlende Transparenz und Wahlfreiheit für Verbraucher:innen sowie die Benachteiligung der konventionellen und ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Darüber hinaus bestehen vielfältige Zweifel, z. B. hinsichtlich faktischer Nachweise zur „Klimaresistenz“ oder einem geringeren Pestizideinsatz.
Auch bliebe anzuzweifeln, ob es sich bei „Gen-Pflanzen“ nicht nur um die nächste Generation an hochgezüchteten Leistungs-Hybridsaaten handelt. Denn es stellt sich z. B. im Angesicht des Klimawandels die Frage, worauf hin die „Gen-Pflanzen“ maßgeschneidert werden sollen: Trockenheit und Dürre oder Nässe und überbordende Regenmengen?
Alternative Ansätze zeigen, dass erfolgreiche Antworten auf die klimatischen Extreme auch konventionell und biologisch gefunden werden können. Ein Beispiel: sogenannter Populationsweizen. Populationsweizen, eine Mischung aus verschiedenen, robusten, vermehrungsfähigen Demeter-Sorten, ist ein Gegenentwurf zur agrarindustriellen Spezialisierung auf das eine Beste, das oft nur theoretisch das Beste ist. Aus ganz unterschiedlichem Saatgut wächst ein vielfältiges Getreide, dessen Stärke die Unterschiedlichkeit ist. Jeder Einfluss macht einen Teil der Saatgutmischung im Wachstum stark. Je nachdem, was das Wetter zu bieten hat, entwickelt sich ein Teil der Mischung – eben eine spezifische Sorte. In der Gesamtheit zeigt sich die gezielte Mischung überlegen: Der Populationsweizen erzielte beim vergleichenden hessischen Bio-Versuchsanbau 2022 die besten Ergebnisse. Nur ein Beispiel von vielen erfolgreichen Lösungen, die gänzlich ohne Gentechnik auskommen.
Deshalb: Bitte werden Sie mit uns aktiv! Mehr unter www.demeter.de/gentechnik